«Wenn ich etwas sage, kann es weh tun»
Nikola Portner (31) ist seit Jahren die Nummer eins im Schweizer Tor. Im Interview spricht er über die WM-Vorbereitung, seine Form und er erklärt, was ihm an unserer Handball-Mentalität nicht gefällt.
Text: Stephan Santschi Bild: Martin Deuring
Wie bilanzieren Sie den Yellow-Cup?
Nikola Portner: Ein paar Sachen sind nicht so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt haben. Am meisten Freude bereitet mir, dass wir uns von Spiel zu Spiel gesteigert haben und am Ende gegen Holland, wo wir sicher nicht die Favoriten waren, in der Crunchtime bestehen und gewinnen konnten. Irgendwann gelingt uns dies auch gegen Top-Nationen.
Sie haben ein schwieriges Jahr hinter sich. Sie waren wegen Dopingverdachts gesperrt und sind derzeit in Magdeburg nur die Nummer zwei. Wie fühlen Sie sich?
Mir fehlt schon etwas der Rhythmus, ich hätte gerne mehr Spielzeit in den Beinen. Aber ich habe mit 36 Prozent gehaltener Bälle in der Bundesliga eine Top-Statistik. Ich fühle mich frisch, topfit und gesund, sowohl mental als auch physisch, und ich bin effizient. Klar, wenn man mehr spielt, ist die Chance, dass es gut läuft, grösser. Doch mein Vorteil ist, dass ich extrem viel erlebt habe. Ich kann meinen Kopf abschalten und ruhig bleiben. Ich weiss, was ich machen muss, um erfolgreich zu sein.
Wie sind Sie mit der schwierigen Zeit während der Sperre umgegangen?
Klar, ich liebe den Sport über alles und es ist scheisse, wenn ich nicht spielen kann. Aber mir geht es im Leben verdammt gut. Ich gehe nach Hause, sehe meine beiden Töchter, meine Frau, alle sind gesund. Bennet Wiegert, mein Trainer in Magdeburg, sagte mir: «Wahnsinn, wie du funktionierst.» Dabei geht es meiner Familie doch gut, wir haben etwas zu Essen auf dem Teller. Mein Père starb vor ein paar Jahren. Dann weisst du, was richtig Scheisse ist.
Sie sind mit 31 Jahren der älteste Akteur im Kader. Wie unterscheidet sich das Schweizer Nationalteam im Vergleich zu früher?
Ich bin stolz, dass Gino bei den Rhein-Neckar Löwen unterschrieben hat, das wäre vor zehn Jahren unmöglich gewesen. Früher musste man mit Schaffhausen in der Champions League und auf einem Toplevel spielen, um in Minden zu unterschreiben. Heute interessieren sich Kiel, Magdeburg, Flensburg oder Paris für die Schweizer Liga. Die Einstellung zum Handball wird professioneller. Als ich in der Nationalmannschaft begann, kamen Spieler direkt aus dem Ausgang zum Lehrgang, andere rauchten nach dem Training. Was uns als Team noch etwas fehlt, ist die Erfahrung.
Die Schweiz hat ihr Potenzial also noch nicht ausgeschöpft?
Ich denke nicht, nein. Ich habe nun zwei, drei Generationen im Nationalteam erlebt. Mal ging es etwas rauf, mal etwas runter, insgesamt bewegten wir uns aber auf einer geraden Linie. Mein Ziel ist es, an jeder WM und EM mit der Schweiz dabei zu sein und mein grösster Traum ist der Gewinn einer Medaille, egal wie verrückt das tönt. Diese Mentalität trug mir zwei Champions-League-Titel ein.
Sind Sie in der Kabine mittlerweile lauter geworden?
Wenn ich etwas sage, kann es weh tun, wie jüngst am Yellow-Cup, als ich einem Spieler in der Pause mitteilte, dass er nach Hause gehen könne und gar nicht mit an die WM fahren müsse, wenn er so weiterspiele. Das ist meine Art, ich sage lieber weniger, dafür umso direkter. Ich kann nicht à la Wacker Thun die ganze Zeit schreien und eine Show machen. Zu Zeiten von Goran Perkovac reichte ohnehin ein Blick, heute musst du den Spielern alles erklären. Deshalb könnte ich nie Trainer sein.
Wie sind Sie mit den Auftritten der Abwehr zufrieden?
Wir vertreten die Schweiz auf dem Platz manchmal so, wie wir als Volk sind. Und das ist nicht gut.
Zu lieb?
Genau. Deshalb finde ich es schade, dass Lucas Meister lange nicht spielen konnte. Er ist ein Spieler, der aus dem System rausgeht und Zeichen setzt. Ich möchte immer eine Körpersprache sehen wie im Spiel gegen Österreich. So bringt man den Gegner zum Nachdenken, und nicht mit einer Basketball-Abwehr, wo man den Gegner mit etwas Bedrängung schiessen lässt.
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