«Ich darf etwas sagen, muss aber nicht»
Cédrie Tynowski (28) absolvierte 243 NLA-Spiele für Pfadi Winterthur und 59 Länderspiele für die Schweiz. Der frühere Rechtsaussen spricht über seinen Rücktritt, die neue Aufgabe als TV-Experte und er verrät, was er nicht mehr heimlich tun muss.
Interview: Stephan Santschi Foto: Martin Deuring
Sie traten im letzten Mai nach dem Rückspiel des WM-Playoffs gegen Slowenien zurück. Damals waren Sie mit Ihrer Welt zufrieden. Und heute? Cédrie Tynowski: Unverändert, ich bin sehr zufrieden. Das Ende war fast perfekt, hätten wir Slowenien geschlagen, wäre es perfekt gewesen. Obwohl es noch nicht lange her ist, scheint der Handball bereits weit weg zu sein. Ich hatte Zeit, um mich auf das Ende vorzubereiten. Nun bin ich mega happy, wie fliessend ich den Übergang ins Berufsleben geschafft habe.
Sie sind in Ihrer Karriere durch viele Verletzungen zurückgeworfen worden. Die letzten drei Jahre spielten Sie jedoch durch. Was war anders? Ich habe mich weniger mit Handball auseinandergesetzt. Ich studierte, begann zu arbeiten, wurde Vater. Ich habe meinen Körper nicht mehr überfordert, gab ihm mehr Regenerationszeit. Ich bin irgendwo vernünftiger und reifer geworden. Ich lernte, in welchen Situationen es Sinn macht, 100 Prozent zu geben.
Spricht dies nicht gegen einen Rücktritt? Nein, im Gegenteil. Ich konnte nochmals auf einem guten Niveau spielen. Der Rücktritt war ein freier Entscheid. Ich hätte weiterspielen können, es ist nicht so, dass ich nicht mehr spielen kann. Das ist ein schönes Gefühl.
Sie waren Schweizer Meister, zweimal Cupsieger, spielten an WM und EM. Was sticht heraus? Mir bleibt die WM in Ägypten am meisten in Erinnerungen. Das ganze Drumherum war speziell, sportlich lief es gut, die Stimmung im Team war super und wir hatten die Möglichkeit, im Januar bei Sonnenschein und 25 Grad am Pool zu sitzen.
Nun arbeiten Sie zu 100 Prozent als Unternehmensberater und studieren Betriebsökonomie und Sportmanagement. Wie läufts? Im nächsten Januar bin ich mit dem Bachelor fertig, gottseidank, ich mag nicht mehr. Es ist schon viel, zusammen mit Arbeit, Familie und selber Sport treiben. Betriebsökonomie ist ein sehr breit gefächertes Studium und eine gute Grundlage. Die Vertiefung Sportmanagement habe ich gewählt, weil ich in Zukunft gerne nahe am Sport oder im Sport arbeiten möchte.
Im Handball stellten Sie sich als starker Verteidiger jedem Problem, im Studium soll Wirtschaftsmathematik ein Härtefall gewesen sein… (schmunzelt). Auch dem Unangenehmen muss man sich stellen – das lernt dich der Sport. Wirtschaftsmathematik ist sicher eines von jenen Modulen, in denen ich am schlechtesten abgeschlossen habe. Als ich merkte, dass es knapp wird, habe ich mehr investiert. Und letztlich ist es so wie im Handball: Auch ein Tor Differenz reicht zum Sieg.
Wie beurteilen Sie Ihren Start als Handball-Experte beim Schweizer Fernsehen? Aufregend, es ist etwas komplett Neues. Ich bin ein Planungsmensch, sehr strukturiert, an neue Dinge muss ich mich zuerst gewöhnen. Zu Beginn war ich sehr nervös, doch mit der Zeit wurde ich lockerer und es begann mega Spass zu machen. Die Rollenverteilung ist klar: 85 bis 90 Prozent des Redeanteils hat Stefan Liniger, ich darf etwas sagen, muss aber nicht. Ich soll dem Zuschauer etwas erklären, das er selbst vielleicht nicht mitbekommen hat – während einer Zeitlupe etwa oder bei einem Timeout.
Erhielten Sie von Ihren ehemaligen Teamkollegen im Schweizer Nationalteam schon Feedbacks? Nein, bis jetzt nicht, mit einer Ausnahme: Beim letzten Telefonat sagte mir Andy Schmid, dass er nicht mehr mit mir reden wolle, da ich nun bei der Presse sei (lacht). Nein, im Ernst: Ich habe bisher ja keinen Seich erzählt, ich mache das sachlich. Ich weiss, dass der Sport in der Ausübung nicht immer so einfach ist wie in der Theorie. Angst oder Respekt, meine früheren Teamkollegen zu kritisieren, habe ich dabei überhaupt nicht.
Sie haben eine bald 3-jährige Tochter, leben in Winterthur. Was zeichnet Sie als Vater und Hausmann aus? Ich habe sehr gerne Ordnung und Sauberkeit, deshalb putze ich das Bad oder sauge Staub. Als Vater verbringe ich unglaublich gerne Zeit mit meiner Tochter. Ich habe Kinder sehr gerne, ich mag die Rollenspiele, weil ich auf diese Weise auch das Kind in mir wieder nach vorne holen kann.
Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus? Ich werde öfters auf der Piste sein, ich darf offiziell wieder Skifahren. Früher musste ich dies heimlich tun, weil es vertraglich verboten war (lacht).
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