Gian Attenhofer
«Ich wollte raus aus der Komfortzone, will mich in einem anderen Land beweisen, durchsetzen und durchstarten.»
Interview: Thomas Levknecht, Eisenach
Gian Attenhofer spielt seit dieser Saison für den ThSV Eisenach. Foto: sportfotoseisenach.
Zu den Neuzugängen des ThSV Eisenach im Sommer zählt Linkshänder Gian Attenhofer. Der 2002 in Basel geborene Rechtsaussen-Spieler kam vom Schweizer-Erstligisten HSC Suhr Aarau zum Thüringer Traditionsverein. «Gian ist ein versierter variantenreicher Rechtsaussen mit viel Potential, vielleicht der beste Schweizer auf dieser Position. Er will den nächsten Schritt tun», erklärte ThSV-Coach Misha Kaufmann bei der Bekanntgabe der Verpflichtung seines Landsmannes, den er aus der gemeinsamen Zeit beim HSC Suhr Aarau kennt.
Wir sprachen mit dem 1,84 Meter grossen Gian Attenhofer, der ledig, aber in festen Händen ist, und Jura studiert.
Seit wann spielen Sie Handball im Verein? Für welche Vereine waren Sie schon am Ball?
Mit 7 Jahren begann ich bei ATV/KV Basel mit Handballspielen. Patrick Rodriguez und Misha Cerwenka waren meine ersten Übungsleiter. Zur Saison 2013/2014 wechselte ich zur HSG Nordwest, 2016 in die Nationalliga A, zum RTV Basel. Im C-, B- und A-Jugend-Alter wurde ich Schweizer Meister.
Wann kamen Sie zum HSC Suhr Aarau?
Zur Saison 2020/2021 wechselte ich zum HSC Suhr Aarau. In dieser Zeit reifte der Entschluss, Handballprofi zu werden.
Das war auf der Homepage des HSC Suhr Aarau über Sie zu lesen: Hier hat er mit seinem variantenreichen Wurfrepertoire begeistert – vom Flügel, in den Gegenstößen und teilweise auch von der Siebenmeterlinie. Diese 4 Jahre möchte er nicht missen. Er sei dem Verein auch sehr dankbar für die Chance, die er erhalten hat. «Die sportliche Perspektive für junge Spieler beim HSC Suhr ist da. Man findet hier Voraussetzungen, um sich als junger Akteur durchzusetzen und sich super weiterzuentwickeln», werden Sie zitiert. Doch dann der Wechsel nach Eisenach…?
Ich wollte den nächsten Schritt vollziehen. In der Persönlichkeitsentwicklung und handballerisch. Für einen Handballer in der Schweiz ist die 1. Bundesliga das ganz grosse Ziel. Wenn aus dieser Liga eine Anfrage kommt, ist das eine grosse Ehre. Ich hatte im Vorfeld natürlich mit meinen Landsleuten beim ThSV Eisenach Misha Kaufmann, Timothy Reichmuth und Manuel Zehnder gesprochen. Ich war vor meiner Vertragsunterzeichnung auch in Eisenach, war begeistert von diesem lebendigen Traditionsverein. Zudem, diese Stadt lebt Handball.
Gian Attenhofer führt einen Penalty gegen Hannover-Burgdorf aus. Foto: sportfotoseisenach.
Was reizt an der 1. Handballbundesliga?
Alles. Die Spieler, die Arenen, Training und Vorbereitung auf die Spiele, die Auswärtsfahrten. In der Schweiz dauerten die Auswärtsfahrten maximal zwei bis drei Stunden. In Deutschland reisen wir aufgrund der Entfernung teilweise am Vortag an. In der Schweiz wohnen die Spieler bei ihren Familien. Hier haben sie eigene Wohnungen bezogen.
Sind Sie zum ThSV Eisenach gewechselt, auch, weil Misha Kaufmann hier Trainer ist, dessen System Sie kennen?
Richtig. Als ich 18 war, hat mich Misha zum HSC Suhr Aarau geholt. Er war der Trainer, der mich auf den Weg vom Hobby-Handballer zum Handballer mit klarem Ziel geführt hat.
Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem Wechsel?
Ich wollte mein Leben so gestalten, dass sich alles um Handball dreht. Ich bin nicht mehr in meiner Komfortzone, nicht bei der Familie und Freunden. Ich bin in einem anderen Land, will mich hier beweisen, durchsetzen und durchstarten.
Was ist in der deutschen 1. Bundesliga anders als in der QHL der Schweiz?
Das Niveau ist ein ganz anderes. Nicht nur spielerisch und individuell, sondern auch die taktische Komponente, die umfangreiche Spielvorbereitung, der gesamte organisatorische Bereich. Die Fankultur ist 10-mal so gross wie in der Schweiz. Das Medieninteresse ist sehr gross. Das Interesse der Menschen auf der Strasse am Handball ist allenthalben spürbar.
Wie sieht die Arbeitsteilung auf Rechtsaussen aus?
Moritz Ende und ich kommunizieren viel darüber, wie wir uns gegenseitig helfen können. Manchmal hat der eine oder der andere einen schlechten Tag oder gar eine schlechte Woche. Wir finden gemeinsam einen guten Weg.
Welche Stärken, wo noch Nachholbedarf?
Zu meinen Stärken würde ich den Abschluss vom Flügel, die Wurfeffizienz aus kleinem und grossem Winkel, gepaart mit jugendlicher Freude zählen. Nachholbedarf sehe ich – nach meiner Verletzung (Kreuzbandriss) – im Tempo, Geschwindigkeit der Pässe, im schnellen Spiel insgesamt.
Was zeichnet einen guten Rechtsaussen aus?
Konstanz, Wurfeffizienz, Verfügbarkeit über die Saison, Stärke im Verbund in der Abwehr.
Spielen Sie als Ausssenspieler lieber in grossen oder in kleinen Hallen?
In kleinen Hallen. Ich komme aus kleinen Hallen, da ist die Stimmung ganz anders.
Kopftreffer bei Torhütern mit einer 2-Minuten-Strafe zu ahnden, richtig?
Es ist für die Schiedsrichter extrem schwer zu entscheiden, ob der Ball absichtlich in Richtung Kopf geht, ob sich der Torwart bewegt. Um den Torhüter zu schützen, erachte ich diese Regel als richtig.
Foulspiele bei Würfen von Aussen mit einer Zeitstrafe zu ahnden, auch richtig oder zu hart?
Eine richtige Regel. Die Verletzungsgefahr ist sehr gross. Der Gegenspieler muss den Fuss weglassen, darf nicht in den Arm fassen.
Wie empfinden Sie die Atmosphäre in der Werner-Assmann-Halle?
Einfach geil! Wir stehen bei den Heimspielen gefühlt mit dem 8. Mann auf dem Parkett. Wir werden von der 1. bis zur 60. Minute angepeitscht. Das spüren wir. Der sportliche Gegner sicherlich auch. Bei Niederlagen sind wir nicht der Buhmann, wenn jeder kämpferisch alles gegeben hat. Auf unsere Fans, auch bei den Auswärtsspielen, können wir bauen. Dieses Miteinander ist eminent wichtig.
Wie sehen Sie die Lage des ThSV Eisenach in der aktuellen Saison?
Ein Traumstart in der Liga war es gewiss nicht. Die Heimniederlage gegen die SG BBM Bietigheim schmerzt. Im Pokal revanchierten wir uns, zogen mit einem 31:26-Erfolg in Bietigheim ins Achtelfinale ein, erwarten hier nun am 13.11.2024 zum Mitteldeutschland-Derby den SC DHfK Leipzig. Um Punkte war der 28:24-Erfolg beim HC Erlangen wichtig. Bei der TSV Hannover-Burgdorf vermochten wir uns nicht für eine gute Leistung zu belohnen. Es haperte an der Wurfeffizienz. Besser machten wir es im Heimspiel gegen die HSG Wetzlar, nach einem 13:13-Halbzeit liessen wir im zweiten Abschnitt nur noch 9 Gegentreffer zu, schlossen unsererseits konsequent zum 30:22-Sieg ab. Eine Top-Einstellung im Teamgefüge. So soll es bleiben. Das gibt uns Mut für die weiteren Aufgaben.
Ihr Spitzname ist Umme...?
Das ist ein schweizerischer Ausdruck für «ich bin bereit». Und das bin ich.
Wo soll es für Gian Attenhofer sportlich mal hingehen?
Ich bin noch jung, hoffe auf eine erfolgreiche Handball-Karriere. Meinen Leistungszenit habe ich noch nicht erreicht. Ich habe mir den Traum, in der 1. Handball Bundesliga, der grössten und stärksten Liga der Welt zu spielen, erfüllt. Na klar, ich würde gern in der Nationalmannschaft meines Heimatlandes spielen. Auswahltrainer Andy Schmid war bei unserem Sieg über Wetzlar in der Halle. Verletzungsbedingt konnte ich in den letzten drei Jahren für die Nationalmannschaft nicht berücksichtigt werden. Vielleicht bin ich bei den anstehenden EM-Qualifikationsspielen dabei. Mit der Nationalmannschaft bei Olympia zu spielen, das wäre ein Traum.
Gian, Danke für das Interview.
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