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Die kleine Schweiz ist chancenlos

Die Schweizer sind dem Druck im EM-Eröffnungsspiel nicht gewachsen und kassieren gegen Deutschland eine 14:27-Klatsche. Ist dies die Quittung für ihre Entwicklung der letzten Jahre?


Text: Stephan Santschi Bilder: Foto Wagner / Heinz J. Zaunbrecher


Weltrekordkulisse in der Merkur-Arena in Düsseldorf.


Es waren skurrile Momente im Vorfeld. Der Respekt der Deutschen vor der vermeintlich kleinen Schweiz war bemerkenswert. «Die Schweiz ist eine starke, wirklich gute Mannschaft mit internationaler Klasse. Dieses Spiel gegen diese Schweiz bereitet mir echte Bauchschmerzen, ohne Scheiss!», erklärte Stefan Kretzschmar gegenüber dem Liveportal «Dyn» und der frühere Superstar der Deutschen hielt fest: «Für uns ist das ein vorweggenommener Final.»


60 Minuten Handball später sind die Verhältnisse wieder gerade gerückt. Die kleine Schweiz ist noch immer die kleine Schweiz, im EM-Eröffnungsspiel vor der Weltrekordkulisse in der Düsseldorfer Fussballarena (53’586 Fans) unterliegt sie dem Gastgeber mit 14:27. «Uns sind die Hosen ausgezogen worden, das ist schon heftig», stellt Spielmacher Andy Schmid fest. «Die technischen Fehler, die Bälle, die nicht reingehen, das tut sehr weh», befindet Nationaltrainer Michael Suter. Sein Team kassiert eine historische Schlappe, erzielt so wenig Tore wie seit 25 Jahren und dem 13:26 gegen Frankreich im Jahr 1999 nicht mehr.



Grussbotschaften von Stars anderer Sportarten

Dabei war auch die Zuversicht im Schweizer Lager gross gewesen. Endlich generierten unsere Handballer einmal Interesse über die eigene Community hinaus. Stars anderer Sportarten wie Yann Sommer, Murat Yakin (Fussball), Marco Odermatt (Skifahren), Nino Niederreiter (Eishockey) und Christian Stucki (Schwingen) sprachen der SHV-Auswahl mit Grussbotschaften ihre Unterstützung zu. Auch die Hauptprobe am Yellow Cup, dem traditionellen Winterturnier in Winterthur, machte Mut, die Schweiz gewann es mit drei Siegen auf überzeugende Art und Weise.


Doch vom Offensivfeuerwerk gegen die schwächer dotierte Konkurrenz des Yellow Cups ist am Mittwoch gegen den WM-Fünften von 2023 nichts mehr übrig. Die Schweiz ist im Angriff ein Totalausfall, angefangen bei Schmid, der bei seiner Rückkehr nach Deutschland blass bleibt. Der 40-jährige Schlüsselspieler ist am Yellow Cup, der in der Woche vor einem grossen Turnier drei Partien innert drei Tagen beinhaltet, zu stark forciert worden, klagte hernach über muskuläre Probleme im Oberschenkel und scheint auch gegen Deutschland gehemmt zu sein.


Schweizer stagnieren seit 2021

8:13 beträgt der Rückstand zur Pause, nur der stabilen Abwehr und dem guten, später aber verletzt ausgeschiedenen Goalie Nikola Portner ist es zu verdanken, dass man nicht uneinholbar zurückliegt. Nach dem Seitenwechsel führt eine 17-minütige (!) Torflaute ins Debakel. Die Schweizer sind völlig von der Rolle und vom Krafthandball der Deutschen überfordert – deren Goalie Andreas Wolff kommt auf eine Abwehrquote von 59 Prozent. Anstatt Werbung in eigener Sache blamieren sie sich auf der grösstmöglichen Bühne. «Meine Kinder waren in der Halle, haben es leider gesehen. Meinen Grosskindern werde ich es nicht erzählen», kommentiert Schmid das Geschehen mit Galgenhumor.

Fazit: Die Schweiz ist zurück auf dem Boden der Realität, ein gelungener Yellow Cup kann nicht über die Probleme der letzten drei Jahre hinwegtäuschen. Seit der guten WM 2021 hat sie kein Spiel gegen einen stärker eingeschätzten Kontrahenten gewonnen, spätestens seit Mai 2021 und der für das Verpassen der EM 2022 verantwortlichen 28:29-Niederlage in Nordmazedonien stagnieren die Schweizer, mehr noch: Sie machen Rückschritte. Die Probleme sind die gleichen, welche «handballworld» schon im Dezember 2022 analysierte: «Die Deckung agiert zwar insgesamt stabil, in der Vorwärtsbewegung ist die Equipe aber mit zu wenig Tempo unterwegs. Im spielerischen und individuellen Bereich ist sie verkrampft, ruft ihr Potenzial nicht ab.»


Nun kommt Olympiasieger Frankreich

Und so scheint es, als ob die Schweizer nun die Quittung für die negative Entwicklung der letzten Jahre erhält. Immerhin: Michael Suter und sein Team können in den kommenden Tagen an ihrem dritten und letzten gemeinsamen Turnier beweisen, dass sie besser sind als sie sich gegen Deutschland präsentiert haben. Das ist auch dringend nötig, denn am Sonntag (18 Uhr, live SRF info) treffen sie mit dem aktuellen Olympiasieger Frankreich auf einen noch stärkeren Gegner…



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